Tamagochi
Der Tamagotchi-Effekt: "I broke the code" – Beginn einer neuen Ära der Mensch-Maschine-Interaktion
Dieter Feige, Juni 2025
Menschen kommunizieren mit Maschinen statt miteinander – wir erleben das täglich, doch nichts davon kommt von ungefähr. Erinnern wir uns an das Jahr 1997, als das Tamagotchi auf den Markt kam. Diese interaktiven Küken in bunten Plastik-Eiern eroberten weltweit die Herzen vieler Kinder im Sturm. Füttern, Spielen, Streicheln, Saubermachen – das beschäftigte die Kids oft den ganzen Tag. Es war die Geburtsstunde einer permanenten Interaktionsbereitschaft und der Auftakt zu einer tiefgreifenden Veränderung gesellschaftlicher Konventionen.
Das Tamagotchi "broke the code", genau wie der Schweizer Künstler Nemo beim Eurovision Song Contest 2024 mit seinem Song "I broke the code" brillierte und dabei einen anderen, aber ebenso fundamentalen gesellschaftlichen Wandel thematisierte. Das Tamagotchi, ein niedliches Küken, leblos und seelenlos, verpackt in einem handlichen Endgerät, gab fortan den Takt des Tagesablaufs an, weil es ständig volle Aufmerksamkeit erforderte. Dieses virtuelle Haustier bewirkte in dieser neuartigen sozialen Beziehung ein hohes Maß an Empathie, Fürsorge, Verantwortlichkeit sowie strenge Disziplin bei seinem "Petsitter".
Gegenseitige Konditionierung: Faszination und Fluch
Diese gegenseitige Disziplinierung – "Petsitter diszipliniert Tamagotchi, Tamagotchi diszipliniert Petsitter" – stiftete eine Abhängigkeit und eine Erwartungshaltung, die im Kern die Funktionsgrundlage von Social Media bilden. Diese Dynamik betrifft sowohl den User als auch das Endgerät als kommunikativen Austragungsort. Beide, Mensch und Maschine, können infolge dieser Konditionierung nicht mehr voneinander lassen. Es ist Faszination und Fluch zugleich.
Konditionierung im strengen Sinne ist ein Akt der Manipulation, der Verhaltensweisen oft unbewusst und subtil aufzwingt und letztlich in eine Fremdbestimmung führen kann. Der verführerische Treiber für diese freiwillige Unterwerfung unter das Diktat von Social-Media-Plattformen und darauf basierenden Apps wie Nachrichtenkanälen ist schlichtweg das Belohnungsprinzip ("Nudging"). Wir erhalten Bestätigung für "richtiges" Verhalten: Breaking News halten uns in Echtzeit auf dem Laufenden, Likes und Follower verschaffen uns Reichweite und Resonanz auf unsere Posts. Es ist die Bedienung unseres zutiefst menschlichen Aufmerksamkeitsbedürfnisses.
Die Gefahr der digitalen Zwangsneurose
Leider besteht hier, so warnen Psychologen und Pädagogen, die Gefahr einer digitalen Zwangsneurose. Offline-Sein kann schleichend ein Schuldbewusstsein generieren: Gewissensbisse, etwas Bedeutendes verpasst zu haben, nicht unter den Ersten gewesen zu sein, als "Schlafmütze" oder "Ignorant" in seiner Community zu gelten. Doch das hat jeder schließlich selbst willens und wortwörtlich mit Knopfdruck in der Hand.
Dass es auch anders geht, zeigt der Anblick verliebter junger Leute in einem Café, die sich lange und beglückt tief in die Augen schauen, weil es darin so viel zu lesen gibt. Die "Ärzte" haben dem Tamagotchi in einem Song gedankt, weil es den Kindern das lehrreiche Erlebnis beschert hat, Leben zu behüten, zu betreuen, großzuziehen und spielerisch soziale Fähigkeiten zu entwickeln.
"Tamagotchi, Tamagotchi, Ich hab dich großgezogen. Doch unsere Zeit ist schnell verflogen. Tamagotchi, Tamagotchi. Mein Kind aus einer anderen Zeit. Wo bist du denn, wie geht's dir heut'?"
[Optional: Link zum Ärzte-Song "Tamagotchi" einfügen: https://www.youtube.com/watch?v=JalQ1m47FGc]
Was denken Sie: Haben wir den "Code" der Mensch-Maschine-Beziehung wirklich gebrochen – oder sind wir nur tiefer in ihn hineingerutscht?
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