Big Quit
Vom "Big Quit" zur anhaltenden Transformation:
Warum Wertschätzung und Purpose die neue Währung im Kampf um Talente sind
Dieter Feige, Dezember 2023
Erinnern Sie sich an den "Big Quit"? Was im April 2021 in den USA begann – eine scheinbar unerklärliche Welle freiwilliger Kündigungen ohne neue Jobperspektive, die Millionen von offenen Stellen hinterließ – hat sich längst von einer "Nebenwirkung der Pandemie" zu einer globalen Transformation des Arbeitsmarktes entwickelt. Damals noch als "Kündigungstsunami" und "Black Swan"-Ereignis (nach Nassim Nicholas Taleb) beschrieben, weil es die tradierten Annahmen über Arbeitstreue pulverisierte, wurde schnell klar: Dies war kein vorübergehendes Phänomen, sondern der Startschuss für eine fundamentale Neubewertung der Beziehung zwischen Mensch und Arbeit. Was aber waren und sind die treibenden Kräfte hinter diesem anhaltenden Wandel?
Frühe Studien, wie die groß angelegte Umfrage von McKinsey aus dem Herbst 2021, die sich über die USA hinaus auch auf Australien, Großbritannien, Kanada und Singapur erstreckte, lieferten erste alarmierende Einblicke in die Stimmungslage der Arbeitnehmer und die Beweggründe dieser "Big Resignation". Schon damals zeigte sich ein deutliches Muster: Ein erheblicher Teil der Kündigenden wagte den Schritt ohne unmittelbare Anschlussbeschäftigung, und eine beachtliche Zahl äußerte die Absicht, den Job in naher Zukunft zu verlassen. Diese frühen Indikatoren bestätigten einen radikalen Sinneswandel im traditionellen Arbeitsethos, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Die Ursachen dieser Transformation: Ein radikaler Sinneswandel im traditionellen Arbeitsethos
Diese Entwicklung war und ist besorgniserregend für Unternehmen weltweit. Normale transaktionale Belohnungsmuster und klassische Formen der Mitarbeiterbindung erwiesen sich schnell als unzureichend. Die Ursachen dieser Fluktuation – von fehlender Wertschätzung durch Unternehmen und Vorgesetzte bis zum Gefühl, der Arbeit nicht wirklich zugehörig zu sein – kristallisierten sich als zentrale 'menschliche' Aspekte heraus. Es wurde deutlich: Die Arbeitskräfte sehnen sich nicht primär nach höheren Boni oder besserer Bezahlung. Vielmehr wünschen sie sich eine stärkere soziale und zwischenmenschliche Bindung zu Kollegen und Vorgesetzten – Interaktionen anstelle von bloßen Transaktionen. Aus dieser 'Beziehungsarbeit' und einem erneuerten Sinn ihrer Arbeit, gepaart mit einem überarbeiteten Verständnis von Autonomie und Flexibilität, erhoffen sie sich eine gemeinsame Identität. Wird diese fundamentale Erwartungshaltung nicht erfüllt, überdenken viele ihre klassische Vollzeitbeschäftigung.
Dieser Paradigmenwechsel im Wertekanon der Arbeitnehmer ist zwar den Erfahrungen der Pandemie geschuldet, hat sich aber längst als neue Normalität etabliert. Der pandemiebedingte Stress führte in vielen Branchen zu Burnout und Abnutzungserscheinungen. Die Erfahrung der 'Fernbeziehung' im Homeoffice zwang viele, eine neue Work-Life-Balance zu entwickeln. Gleichzeitig rückte die Pandemie das Wohlergehen von Familie, Angehörigen und Nachbarn in den Fokus. Dieser Sinneswandel zeigt auffällige Parallelen zu den Einstellungen der Generation Z und ist heute branchenübergreifend wirksam.
Die klassischen Auffangnetze sind gerissen: Integrative Lösungen sind gefordert
Was also tun, um diesem anhaltenden Wandel proaktiv zu begegnen? Schnell wurde klar: Klassische transaktionale Angebote führen ins Leere. Unternehmen, die erfolgreich gegen die 'Great Resignation' ankämpfen, setzen auf integrative Lösungen. Sie hören ihren Mitarbeitern zu und erkennen, dass das Streben nach einer besseren Work-Life-Balance, der Wunsch nach persönlicher Entwicklung und vor allem das Bedürfnis nach echter Wertschätzung und Zugehörigkeit im Vordergrund stehen.
Ob es um flexible Kinderbetreuung, bessere Karrierewege oder innovative Wege zur Förderung des Gemeinschaftsgefühls geht – die Beispiele erfolgreicher Unternehmen (wie sie McKinsey schon früh identifizierte, z.B. US-Unternehmen mit Kinderbetreuung vor Ort oder die Restaurantkette mit ihrer kreativen 'Grill-Karriereleiter') zeigen, dass kreative und mitarbeiterzentrierte Maßnahmen den 'Big Quit' in eine 'Big Attraction' verwandeln können. Krisen bieten Chancen, und diese jetzt zu ergreifen, kann sich als entscheidender Wettbewerbsvorteil erweisen, um Arbeitskräfte langfristig zu binden und Talente für die Zukunft zu entwickeln.
Was in den USA begann, ist längst auch in Europa Realität geworden. In Deutschland spüren wir die Auswirkungen dieser Transformation ebenfalls deutlich – sei es durch vorgezogenen Ruhestand, den Trend zur Neudefinition der Lebensplanung oder die anhaltenden Herausforderungen im Fachkräftemangel. Die Ignoranz der Anfänge wäre fatal. Es gilt mehr denn je das Wort des Dichters Ovid: „Wehre den Anfängen! Zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch langes Zögern erstarkt sind.“ Eine proaktive und menschenzentrierte Personalstrategie ist daher keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit, um im Kampf um die besten Talente zu bestehen.
Die 'Great Resignation' war kein vorübergehender Sturm, sondern der Weckruf für eine anhaltende Transformation. Unternehmen, die jetzt die Zeichen der Zeit erkennen und Wertschätzung, Purpose sowie Flexibilität in den Mittelpunkt ihrer Personalstrategie stellen, werden nicht nur die Herausforderungen des Fachkräftemangels meistern, sondern sich als attraktive Arbeitgeber der Zukunft positionieren.
Link zum Beitrag von McKinsey „Can you turn attrition into attraction?”
https://www.mckinsey.com/business-functions/people-and-organizational-performance/our-insights/pop-quiz-can-you-turn-attrition-into-attraction?cid=other-eml-dre-mip-mck&hlkid=8a2cad5fa3ba4b3ba3f7cb5ba6f7f7c4&hctky=10439480&hdpid=06d898f6-c527-4422-b16d-5ec81c60516d
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