Duell im Morgengrauen?
Elektroauto oder Brennstoffzellenauto, das ist die Hamlet-Frage.
Dieter Feige, Juni 2021
Prolog
Der Autoscooter ist wohl der populärste Veteran elektrisch betriebener Automobilität. Vor rund 100 Jahren kam dieses Fahrzeug auf den Vergnügungsmarkt in Coney Island. Anlass seiner Einführung war, dem „kleinem Mann“ solo oder mit seiner Begleitperson für einige Minuten das Gefühl zu geben, eine schicke Limousine zu chauffieren. Den Chip einwerfen, beim Startsignal aufs „Gaspedal“ treten und los gings. Da beide Insassen das Lenkrad für das mittige Vorderrad bedienen konnten, gab es oft abenteuerliche Schlenker. Mangels Bremse sorgten dicke Gummipuffer rund um den Scooter dafür, dass bei den niedrigen Geschwindigkeiten Zusammenstöße harmlos blieben. Das Anstupsen anderer Scooter war eine beliebte Variante und eignete sich auch hervorragend zum automobilen Flirt mit einem Damen-Duo. Dass die Autoscooter elektrisch betrieben wurden, war für den Jahrmarktsbetrieb die preiswerteste, technisch einfachste und praktikabelste Antriebsart und entsprach damals natürlich keinen Umweltauflagen.
Lichtung frei für die Duellanten BEV und FCEV
Klimawandel und Umweltschonung sind indes die maßgeblichen Treiber für alternative Antriebsarten zum klassischen Verbrenner, zu den Otto- und Dieselmotoren. Im Fokus stehen dabei zwei Varianten, das Elektroauto (BEV = Battery Electric Vehicle) und - noch Außenseiter - das Brennstoffzellenauto (FCEV = Fuel Cell Electric Vehicle), ein Wasserstoffverbrenner, der aber gleichfalls ein Elektroauto ist. Beide fahren jedoch nur emissionsfrei, wenn das Elektroauto mit regenerativem Strom betrieben und der Wasserstoff für das Brennzellenauto mit regenerativem Strom erzeugt wird. Im Rennen hat das Elektroauto derzeit die Nase weit voraus, weil die Politik den Umstieg auf diese Variante angesichts hoher Anschaffungskosten bei noch magerer Modellpalette mit allerlei Vorteilen und Wohltaten schmackhaft macht. Steuervorteile, Befreiung von Fahrverboten und Parkprivilegien in Innenstädten sind hier vor allem die Teaser. Von Nachteil sind indes der noch geringe Fahrradius sowie die langen Ladzeiten. Der Knackpunkt ist jedoch die Batterie, die teuerste Komponente, die bei einem Defekt hohe Kosten verursacht, weil sie im Schadensfall zumeist komplett ausgetauscht werden muss. Herstellergarantien versichern mittlerweile den best case. Hinzu aber kommt, dass allein die energieaufwendige Batteriezellenproduktion weitaus mehr CO₂-Emissionen als die komplette Produktion eines Verbrennerautos verursacht und die Gewinnung von Lithium, Nickel und Kobalt in den Förderländern erhebliche Umweltschäden mit sich bringt. Mankos sind derzeit die noch geringe Netzdichte der Ladesäulen bundesweit sowie die Entsorgung der Batterien. Dazu gesellen sich die Fragen, ob die Versorgung mit regenerativem Strom gesichert ist und wie lange die Vorräte an Lithium, Nickel und Kobalt für die Batterien reichen.
Nach dem Prinzip „Time is money“ (so Benjamin Franklin) gerechnet, besticht auf den ersten Blick der Wasserstoffmotor. Ist beim E-Mobil nach rund 300 km der Akku leer und müssen bedeutende Ladezeiten in Kauf genommen werden, schafft das Brennstoffzellenauto selbst mit größerer Nutzlast circa 500 bis 800 km non-stop und benötigt für das Befüllen des nur wenig Platz beanspruchenden Wasserstofftanks knapp 5 Minuten. Die Euphorie aber schwindet auf den zweiten Blick. Die Anschaffungskosten für die derzeit drei Modelle sind hoch, außerdem gibt es gegenwärtig nur 100 Tankstellen bundesweit. Auch muss für die Technologie Platin eingesetzt werden. Diese Misere erklärt sich jedoch damit, dass sich die Automobilindustrie nolens volens für das Elektroauto entschieden hat. Die Entwicklungskosten für zwei alternative Antriebsstränge neben den klassischen Verbrennern sind zu hoch. Zudem verbraucht zurzeit das BEV weniger Primärenergie als das Brennstoffzellenauto, das Wasserstoff benötigt, dessen Herstellung aus Wasser noch energieaufwendiger ist. So kosten heutzutage 100 km beim BEV € 4,50 und beim FCEV € 9,50.
Pole-Position für BEV ist aber keine Zielgarantie
Das ist aber eine Momentaufnahme und somit Milchmädchenrechnung, die sich aus dem Stiefkind-Status des FCEV und seines technologischen Milieus ermittelt. Im Rahmen der grünen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, Deutschland als Ausrüster zur Nummer Eins in der Wasserstofftechnologie zu fördern, wird die industrielle Massenproduktion von Wasserstoff zu einer hohen Verfügbarkeit führen und in diesem Zuge auch die Produktionskosten der Elektrolyse beträchtlich senken. Dank großtechnischer Wasserstoffproduktion am Ort regenerativer Stromerzeugung beispielsweise können von dort FCEV-Tankstellen mit Wasserstoff beliefert werden, sodass der Aufbau eines Versorgungsnetzes rentabel wird, da es nur noch reine Umfüllstationen sind. Asien, Toyota und Hyundai, plant bereits die Produktion von jährlich 500.000 Brennstoffzellen für Pkw bis 2030. Auch China setzt neben Elektroautos auf Brennstoffzellen-Pkw. Inmitten des deutschen Glaubenskriegs von Experten und Fachjournalisten zum pro und contra Wasserstoff empfiehlt eine wissenschaftliche Studie des VDI/VDE aus Mai 2019 ausdrücklich die Herstellung von Brennstoffzellenautos. Fazit: Bei hoher Marktdurchdringung, rund 20 Mio. Fahrzeuge, wäre mit 40 Mrd. € die Ladeinfrastruktur für Wasserstoff günstiger als mit 51 Mrd. €. für Elektroautos. Die spezifischen Kosten lägen für beide Versorgungskonzepte annähernd gleich; 4,5 ct/km für das BEV und 4,6 ct/km für das FCEV. Gelingt diese Aufholjagd, so darf man getrost annehmen, dass dann auf längeren Strecken das Brennstoffzellenauto entspannt am Elektroauto vorbeifährt. Übrigens hat das FCEV bei hohem Frost (- 30°C) keine Startschwierigkeit und beheizt sich selbst durch die erzeugte Wärmeenergie. Es bleibt spannend, wer auf längere Sicht das Rennen machen wird.