Der Zug kommt ins Rollen
Afrikas verborgener Reichtum: Rohstoffe, Infrastruktur und die Chance einer Neuausrichtung
Während Schlagzeilen oft das Bild von Flüchtlingsdramen prägen, birgt Ostafrika ein enormes Potenzial in seinen Bodenschätzen und der dringend benötigten Infrastruktur. Ein tieferer Blick auf die Chancen und Herausforderungen für den Kontinent – und wie China dabei eine Schlüsselrolle spielt.
Dieter Feige, Februar 2014
Afrikas Narrativ: Jenseits von Krise und Elend
Flüchtlinge, die vor Bürgerkriegen oder Armut über das Mittelmeer fliehen, prägen oft das Bild Afrikas in der westlichen Öffentlichkeit. Menschen, die in Europa eine Chance auf eine bessere Zukunft suchen. Diese einseitige Sichtweise verstellt jedoch den Blick auf die unglaublichen Potenziale, über die viele afrikanische Länder verfügen, wenn sie nur ihre Ressourcen nutzen und wir sie dabei unterstützen könnten.
In diesem Artikel beleuchte ich – basierend auf meiner beruflichen Erfahrung – zwei entscheidende Bereiche: Rohstoffe und Infrastruktur. Sie sind nicht nur Schlüssel zu Afrikas Zukunft, sondern bieten auch immense Chancen für internationale Partner.
Afrika: Der unterschätzte Wachstumsmarkt der Zukunft
Der Afrika Verein der Deutschen Wirtschaft titelte bereits 2013 in einem Positionspapier: "Afrika – Wachstumsmarkt der Zukunft". Tatsächlich wurde in den letzten zehn Jahren auf dem Kontinent eine Vielzahl von Bodenschätzen entdeckt, um deren Abbau sich gerade nicht-afrikanische Firmen bemühen. Ein Beispiel ist Mosambik, wo ein riesiges Kohlevorkommen (geschätzte 13 Milliarden Tonnen) vom brasilianischen Konzern Vale erschlossen wird. Hinzu kommt ein gewaltiges, noch ungenutztes Erdgasvorkommen von geschätzten 100 Billionen Kubikfuß.
Doch die Voraussetzung für eine großflächige Förderung und die Teilhabe an der Globalisierung ist vielerorts mangelhaft: eine funktionierende Verkehrs- und Eisenbahninfrastruktur. Hohe Transportkosten behindern die regionale Zusammenarbeit afrikanischer Staaten erheblich. Binnenländer wie Uganda und Mali zahlen einen hohen Preis: Frachtkosten machen dort durchschnittlich 32% bzw. 39% des Wertes aller importierten Güter aus!
Dies liegt an der einseitigen Eisenbahngeschichte Afrikas. Das afrikanische Schienennetz stammt vorwiegend aus der Kolonialzeit. Die erste Strecke wurde 1852 in Ägypten gebaut, die letzten erst 1960 fertiggestellt. Die europäischen Kolonialherren sahen den Bau lediglich als Mittel zur militärischen Nutzung, Kontrolle, Ausbeutung bekannter Bodenschätze und zum Handel. Dementsprechend ernüchtern die Rahmendaten des Fernverkehrsnetzes von 2006: Mit einer Gesamtlänge von ca. 84.000 km ist es vor allem unzusammenhängend und küstenzentriert. Es dominieren englische (1.067 mm) und französische (1.000 mm) Spurweiten, während die Normalspur (1.435 mm) nur 14% ausmacht. Niedrige Achslasten (14-17 t), Geschwindigkeiten von 35-55 km/h, kleine Kurvenradien (100-200 m) und veraltetes, schlecht gewartetes Material schränken die Nutzung massiv ein.
Chinas Spur in Ostafrika: Infrastruktur im Austausch für Rohstoffe
In diese Lücke stößt nun das rohstoffhungrige China. Bereits 1999 begann die Chinese National Petroleum Corporation mit der Extraktion mehrerer Ölfelder im Sudan. Neu ist allerdings der massive Auf- und Ausbau afrikanischer Eisenbahninfrastruktur durch chinesische Unternehmen in Ostafrika. Diese Projekte dienen nicht zuletzt dem chinesischen Interesse, die Rohstoffförderung weiter auszuweiten.
Ein Blick auf die regionale Konstellation: Was in Burundi, Kenia, Ruanda, Südsudan, Tansania, Uganda und im Osten der Demokratischen Republik Kongo exportiert wird, geht in aller Regel per Lastwagen über einspurige „Highways“ zu den Häfen Mombasa und Daressalam. Die Straßen sind schmal, schlecht und gefährlich. Die konsequente Antwort auf die Infrastrukturprobleme ist seit Jahrzehnten bekannt: Straßen müssen deutlich verbreitert und Massengüter auf die Schiene verlagert werden, wie auch die Germany Trade & Invest (GTAI) bestätigt.
Kenia und sein neuer Wirtschaftspartner China gehen voran und intensivieren den Neubau der Strecke Mombasa–Nairobi im Alleingang, unter Missachtung der Partner der East-African-Community-Eisenbahn (Uganda, Tansania, Burundi und Ruanda). Ausschließlich chinesische Standards sollen gelten. Frachtzüge sollen 80 km/h, Passagierzüge 120 km/h erreichen. Die Bauzeit wird auf fünf Jahre, die Kosten auf 2,6 Mrd. US$ veranschlagt. Presseberichten zufolge hat sich die Kenya Railways Corporation (KRC) bereits verpflichtet, ausschließlich mit der staatlichen China Roads and Bridges Company zu verhandeln.
Auch Äthiopien hat sich Kredite von China, der Türkei und Indien sichern können, um den Ausbau seines Eisenbahnnetzes zu beginnen. Äthiopien möchte ab 2016 jährlich 10 Mio. cbm Flüssiggas nach China verkaufen und profitiert dabei vom geplanten Hafenausbau in Dschibuti, da es über eine leistungsfähige Eisenbahn angebunden wird. China finanziert die geplante 753 km lange Eisenbahnstrecke von Sebeta (bei Addis Abeba) bis zum dschibutischen Hafen Negad mit 3,3 Mrd. US$.
Bereits im September 2008 unterzeichnete China mit der DR Kongo lukrative Wirtschaftsverträge: Über 30 Jahre will die DR Kongo chinesischen Firmen die Versorgung mit Rohmetallen garantieren. Im Gegenzug bauen die Chinesen große Infrastruktur-Projekte im Kongo.
Ein weiteres Beispiel ist das westafrikanische Guinea. Hier sollen 670 km Eisenbahnstrecke gebaut werden, um das in der Simandou-Mine abgebaute Eisenerz in die Hafenstadt Conakry zu transportieren. Im Hintergrund stehen Bergbaugesellschaften wie Rio Tinto und der chinesische Aluminiumhersteller Chalco. Im Zuge des Eisenbahnbaus sollen 24 km Tunnel und 29 Brücken gebaut sowie 10.000 Menschen umgesiedelt werden.
Den chinesischen Erfolg sichert dabei das Konzept des "contractor negotiated loan": Der chinesische Anbieter verspricht, dass eine oder mehrere der chinesischen "politischen" Banken (wie die China Export Import Bank oder China Development Bank) die Finanzierung der beauftragten Projekte übernimmt.
Der Reichtum der Erde: Bodenschätze in Ostafrika
Ostafrika lockt – nicht nur die Chinesen – mit seinen reichhaltigen Bodenschätzen. Insbesondere Erdöl und Erdgas lassen sich als Pfand für Infrastrukturentwicklung einbringen. Die großen Länder der Region sind geologisch wenig erforscht. Warum sollte in Ostafrika nicht ebenso viel zu fördern sein wie beim westlichen Nachbarn, der Demokratischen Republik Kongo, der die vielfältigsten Bodenschätze Afrikas birgt (Beryllium, Cadmium, Koltan, Erdöl, Germanium, Kobalt, Kupfer, Mangan, Silber, Zink und Zinn)?
Im Südsudan gibt es bereits eine Ölindustrie, auch wenn die Ölförderung Mitte 2012 aufgrund bewaffneter Konflikte zwischenzeitlich eingestellt werden musste. Uganda (2006) und Tansania (2011) haben genug Öl bzw. Erdgas für eine kommerzielle Förderung entdeckt. In Uganda begann die Förderung 2013, die Rechte wurden an die Chinesen abgetreten. Zudem existieren in Uganda Vorkommen an Eisenerz, Gold, Kupfer, Uran und Wolfram. Auch in Kenia wurde in der Turkana-Region Erdöl in großen Mengen gefunden, das ab 2016 gefördert werden soll. Zudem hofft Kenia auch Offshore auf wirtschaftlich erschließbare Funde.
Der Abbau dieser Reichtümer kann zur Triebfeder für die Entwicklung ganzer weiterer Industriezweige werden: Schieneninfrastruktur, Straßen, Kanalisation, Wasserversorgung, Anlagenbauer, Bauunternehmen, Ausrüstungshersteller, Ingenieurbüros und Logistikunternehmen.
Ambitionierte Pläne: Afrikas Infrastruktur-Renaissance
Vor diesem Hintergrund braucht Ostafrika – zusätzlich zu den chinesischen Initiativen – eine funktionstüchtige Verkehrs- und Eisenbahninfrastruktur:
- Äthiopien will insgesamt acht Eisenbahnstrecken mit 4.744 km elektrifizierten Gleisen bauen, um die Abhängigkeit vom Straßentransport zu mindern. Die Gesamtkosten werden bislang mit 6 Mrd. US$ angegeben; verhandelt wird auch mit Russen, Indern und Türken.
- Die Pläne von Tansania sind ambitioniert: 13,3 Milliarden US$ sollen für Infrastrukturprojekte mobilisiert werden. Ganz oben auf der Wunschliste stehen die Sanierung der Central Railway Line und die Anbindung des Tanganjikasees.
- Regionale Projekte wie die Burundi-Ruanda-Tansania-Bahn / East-African-Community-Eisenbahn bestehen weiterhin. Im März 2013 sollte mit dem Bau der regionalen Eisenbahn begonnen werden, die die ruandische Hauptstadt Kigali und die burundische Stadt Musongati über die tansanische Stadt Isaka mit dem tansanischen Hafen Dar es Salaam verbindet. Das Vorhaben kostet mindestens 5,2 Mrd. US$ und braucht theoretisch drei bis vier Jahre Bauzeit.
- Die Ugandabahn wurde Ende des 19. Jahrhunderts im Auftrag des britischen Empires konzipiert und zwischen 1896 und 1930 zwischen Mombasa und Kampala errichtet. Mehr als 30.000 Arbeiter aus Indien waren am Bau beteiligt; rund ein Drittel kam ums Leben, viele wurden Opfer von Löwenattacken (Stoff für Filme wie „Der Geist der Dunkelheit“). Seit der Bahnreform in Ostafrika von 2006 lebt die Ugandabahn wieder auf. Eine neue Betreibergesellschaft, die Rift Valley Railways (RVR), wurde 2005 gegründet. Ein Konsortium unter der Führung der ägyptischen Citadel Capital übernahm 2008 die Gesellschaftsanteile. Ein Stufenkonzept zur Modernisierung, das Turnaround Programm, wurde auf den Weg gebracht. Durch die Einbindung von Entwicklungsbanken wie der deutschen KfW, der niederländischen FMO, der Weltbanktochter IFC und der African Development Bank gelang es bis 2011, 164 Millionen US$ an direkten Kreditzusagen einzuholen. Die Strecke ist 2.350 km lang, das rollende Material umfasst nach Angaben von Citadel 1.000 Lokomotiven und 3.500 Waggons.
Herausforderungen und Chancen für die Region
"Wenn Kenia hustet, bekommt Uganda eine Lungenentzündung" – so lautet ein Sprichwort in der Region. Es bezieht sich vor allem auf Kenias führende Rolle als Transitland für den Güter- und Personenverkehr von Mombasa bis Kisangani im Ostkongo. Zwar hat Raila Odinga (2008-2013 Ministerpräsident in Kenia) viele exekutive Funktionen an sich gebunden und in Kenias Masterplan "Vision 2030" sein Konzept des Infrastrukturausbaus durchgesetzt. Dieses sieht Milliardeninvestitionen in die Verkehrsinfrastruktur vor, die mit Hilfe von Gebern, Partnern, Kreditgebern und Öleinnahmen verwirklicht werden und das Land mittelfristig auf das Niveau eines Schwellenlandes heben sollen.
Angesichts des eingangs genannten Vorstoßes Kenias zusammen mit China beim Bau der Mombasa–Nairobi-Strecke ist unklar, ob Kenia dabei die regionalen Anstrengungen, wie über die RVR im Fall der Ugandabahn oder die East-African-Community-Eisenbahn, weiter stärken wird oder seine eigenen Lösungen und Wege sucht. Dabei hat Kenias Volkswirtschaft mit den gängigen Problemen eines afrikanischen Landes zu kämpfen: Bevölkerungsdruck, Korruption und klimatische Widrigkeiten verbinden sich mit einer strukturellen Benachteiligung im Welthandel, unvorhersehbaren Preisschwankungen und einer zu geringen Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes.
Die Konkurrenz zwischen Straße und Schiene besteht auch in Ostafrika: Die ostafrikanischen Staaten Kenia, Uganda und Ruanda denken laut über den Bau eines mehrspurigen Super-Highways nach südafrikanischem Vorbild nach. Eine sechs- bis achspurige Straße soll einmal von der kenianischen Küstenstadt Mombasa über Nairobi und die ugandische Hauptstadt Kampala in die ruandische Hauptstadt Kigali führen. Die Straßenführung könnte entlang der neuen Standardspur-Eisenbahn verlaufen, welche die Chinesen ab November 2013 bauen.
Die Chancen, am Aufbau Afrikas mitzuwirken, sind groß. Wenn Sie sich mit diesem Gedanken beschäftigen, möchten wir Sie gerne dabei unterstützen. Vor allem können wir einschätzen, was machbar ist und welche lokalen sowie entsendeten Führungskräfte am Ehesten den Anforderungen europäischer Unternehmen entsprechen.
Zögern Sie also nicht, mit uns das Gespräch zu suchen.

